Viel fliegen als Vielflieger

Wenn ich beruflich zwischen Hannover und Bangkok pendle, dann suche ich mir immer die zeitlich kürzeste Strecke heraus. Bis zur Corona-Zeit war ich stets mit KLM unterwegs, denn die Verbindung via Amsterdam war von der Reisedauer optimal. Leider hat KLM es mir plötzlich nicht mehr angeboten, mit dem abendlichen Zubringer nach Amsterdam zu fliegen, obwohl es den abendlichen Zubringerflug weiterhin gab. Ich konnte diesen jedoch für die nachfolgende Langstrecke nicht mehr wählen.

So bin ich in der Corona-Zeit auf Lufthansa (via München), Austrian (via Wien), Swiss (via Zürich) und teilweise Singapore Airlines umgestiegen. Ende 2023 dachte ich mir, ich könnte mich ja mal beim zugehörigen Bonusprogramm Miles & More anmelden, was ich dann auch tat. Nach der Anmeldung versuchte ich dann herauszufinden, welche Vorteile ich denn auf meiner Route von Hannover nach Bangkok und zurück, haben würde. Ohne Status keine, wurde mir schnell klar.

Um einen Status zu erreichen, muss man „Meilen“ sammeln, bzw. „Points“ und Qualifying Points“.
Um den Status „Frequent Traveller“ zu erreichen, benötigt man pro Kalenderjahr 650 Points und 325 Qualifying Points.
Um den höheren Status eines „Senator“ zu erhalten, benötigt man im Kalenderjahr 2.000 Points und 1.000 Qualifying Points.

Für einen innereuropäischen Flug gibt es 20 Points und 20 Qualifying Points und für die Strecke Europa nach Thailand gibt es 60 Points und 60 Qualifying Points.
Also für einen Hin- und Rückflug bekomme ich jeweils 160 Points und 160 Qualifying Points.
Für den Frequent Traveller musste ich also mehr als 4x die Strecke Hannover – Bangkok - Hannover fliegen, denn 4 Hin- und Rückflüge ergeben lediglich 640 von geforderten 650 Points!

Im Jahr 2024 erreichte ich dann den Status „Frequent Traveller“ und war gespannt, welche Vorteile ich denn nun erwarten dürfte auf meiner häufigsten Route Abends um 20:15/20:30 Uhr mit Austrian Flug OS296 von Hannover nach Wien, von wo aus ich dann knapp zwei Stunden später mit Austrian Flug OS25 Richtung Bangkok weiterfliege.
Zurück fliege ich mit Austrian Flug OS26 in Bangkok gegen 23:25 Uhr los Richtung Wien, wo ich im Schnitt nach 2,5 Stunden Aufenthalt mit Flug OS291 weiter nach Hannover fliege.

Als Frequent Traveller habe ich dann mal explizit bei Miles&More nachgefragt, welche Vorteile ich denn auf meiner stetigen Route HAJ – BKK habe. Aber anstatt einer Antwort erhielt ich nur einen Verweis auf die FAQs und die Webseite.

Vielleicht sollte ich beim nächsten medizinischen Hilfeersuchen während eines Fluges auf die der Crew zur Verfügung stehenden funk- und telemedizinischen Hilfestellen (MedLink) verweisen… - was ich natürlich nicht machen würde! *

HAJ-BKK Vorteil 1:

Check in am Business-Schalter
Als Frequent Traveller darf ich beim Check in am Flughafen in Hannover auch als Eco-Passagier am Business Schalter „meinen Koffer abgeben“.
In Zeiten, wo man üblicherweise online eincheckt, klingt dies zwar vorteilhaft, real aber ist es für mich in Hannover doppelt kein Vorteil, da ab 19:00 Uhr am LH/Austrian/Swiss Check in ohnehin keine Wartezeiten am Schalter bestehen und ich mir stets aussuchen kann, bei welcher Person ich meinen Koffer abgebe.

HAJ-BKK Vorteil 2:

Lounge-Zugang
Ich darf auch die „Business-Lounge“ am Flughafen Hannover kostenfrei nutzen.
Mal abgesehen davon, dass ich meine Reisedauer so kurz wie möglich gestalte, werde ich „für ein Freigetränk und einen Keks“ sicher nicht früher zum Flughafen fahren. Aus Neugierde bin ich wiederholt hingegangen und stellte wiederholt fest, dass es sich nicht lohnt und man in der Lounge sogar weniger Privatsphäre als im öffentlichen Wartebereich hat. Und was das Speisenangebot anbetrifft, kaufe ich mir lieber anderswo eine Bretzn mit Butter.

Am Umsteigeort in Wien darf ich auch kostenfrei in die Business-Lounge, was hier am Abend einen Vorteil darstellt, da im allgemeinen Bereich meist alle gastronomischen Betriebe schon geschlossen sind oder gerade schließen. Aber auch in dieser Lounge ist die Atmosphäre nicht angenehm und das Speisenangebot nicht verlockend. Dafür aber habe ich hier neben einer stets sehr freundlichen Begrüßung, in der Lounge für mich bislang unbekannte Biersorte entdecken können. Aber den Biersorten-Entdecker-Vorteil habe ich mittlerweile erschöpft.

HAJ Lounge Speisenangebot in Lounge HAJ Toiletten in Lounge HAJ

BKK-HAJ Vorteil 1:

Damit sind meine Vielflieger-Vorteile auf der Reise nach Bangkok erschöpft. Schauen wir daher mal auf die Rückreise von Bangkok nach Hannover.

Check-in am Business-Schalter

Auch in Bangkok checke ich ab 23 Stunden vor Abflug online ein und am Flughafen Suvarnabhumi wird man von einer Schar freundlicher Personen empfangen und beim elektronischen Check-in und der Gepäckaufgabe begleitet und unterstützt, dass man sich fast wie ein First-Class-Passagier fühlt. Hier brauche ich somit keinen Check-in-Schalter.

BKK-HAJ Vorteil 2:

Lounge-Zugang
In Bangkok bietet Lufthansa/Austrian/Swiss keinen Zugang zu einer Lounge.
Da ich ja meine Reisedauer so kurz wie möglich gestalte, reise ich auch in Bangkok entsprechend so zum Flughafen an, dass ich keine Wartezeiten habe oder gastronomische Dienstleistungen benötige.
Und da mein Flug immer eine halbe Stunde vor Mitternacht startet, verbringe ich den Abend meist mit Freunden in einem Restaurant, bevor ich zum Flughafen fahre.

Am Umsteigeort in Wien habe ich dann aber auch mal bis zu fast 3 Stunden Wartezeit – manchmal aber auch nur eine, je nach Jetstream oder Flugroute – und dann nutze ich die Lounge am frühen Morgen und freue mich über ein frisches Croissant mit Butter und einen Cappuccino oder O-Saft in der zu dieser frühen Stunde noch nicht vollen Lounge.
Diese Option habe ich zu dieser Uhrzeit aber auch im allgemeinen gastronomischen Bereich gegen Entgelt.

Das war es dann auch schon mit den von Miles&More beworbenen „exklusive Privilegien wie Lounge-Zugang, bevorzugtes Boarding und mehr“.

Zum von Miles&More beworbenen „bevorzugten Boarding“ habe ich bisher noch nichts davon vernehmen können auf meinen bisherigen Flügen als Frequent Traveller.

Auf meinen Boarding-Pässen steht „Boarding Group 6“ , was man ja nun nicht als "bevorzugt" werten kann, oder?
Und wenn ich an meinen Rückflug von BKK nach VIE vom 27. Februar 2025 zurück denke, war ich beim Online Check-in nicht mal im Stande überhaupt an Bord genommen zu werden. Ich war herabgestuft als ein Wartelisten-Kandidat.
Und dann versuchen Sie mal bei LH/Austrian/Swiss jemanden zu erreichen – insbesondere aus dem Ausland. Mit einem Chat-Bot kann man dann diskutieren, das ist aber so effektiv, wie ein Gespräch mit einer Steckdose. In einer solchen oder ähnlichen Situation ist man unmittelbar in einer Servicewüste gelandet, auch als Frequent Traveller.

Wenn man so viele Points/Qualifying Points für einen nächsten Statuslevel benötigt, ist es selbst Miles&More scheinbar unangenehm gewesen und man hat noch ein Zwischenbonbon eingebaut. Ab 750 Qualifying Points bekommt man "einen" Upgrade-Voucher!
Den wollte ich dann natürlich auf meinem nächsten Flug einlösen – aber das ist mir nicht möglich, denn für meinen Flug brauche ich da mindestens 2 oder gar 3 von diesen Vouchern, wie mir von Miles&More nun mitgeteilt wurde. Wo die herkommen sollen, hat man mir nicht verraten.
Also: Wozu gibt man mir einen Voucher für etwas, was man mir dafür nicht gibt?

Öffentliche Toiletten BKK Airport Öffentliche Toiletten BKK Airport Kostenfreies Trinkwasserangebot am Airport BKK

Schauen wir aber auch mal kurz auf die „Meilen“: Wie sieht es da aus mit Wert und Willkür?
Die Entfernung von Hannover nach Bangkok beträgt etwa 8.850 km, also knapp 5.500 Meilen, bzw. für Hin- und Zurück 11.000 Meilen.
Ich habe mir mal die mir gutgeschriebenen Meilen von drei meiner letzten Flüge angeschaut und das waren (jeweils insgesamt für Hin- und Rückflug) im November 2024 3.044 Meilen, im Februar 2025 3.660 Meilen und im Mai 2025 7.337 Meilen.
Hier werden mit Ticket- und Buchungsklassen nicht nachvollziehbare Kriterien gesetzt, die sich auch bei Berechnungen über die Preise der unterschiedlichen Buchungsklassen, nicht erklären.
Berechnet man einmal den Wert einer Meile bei Einlösung für „etwas nicht Unnötiges“, dann liegt man schnell bei unter einem €-Cent pro Meile.

Mein Fazit:

Das M&M Programm ist ein nicht günstiges Ego-Streichel-Spiel.
Es bringt für mich keinen Vorteil und insbesondere die offensichtlichen Hürden wie z.b. ungerade Anzahl an Flügen für Statuserreichungen, Voucher die nicht einlösbar sind, wie auch die Realwerte gesammelter Meilen, bewerte ich eher als negativ im Sinne einer womöglich beabsichtigten Kundenbindung.
Wenn ich einmal im Monat in Bangkok in meinem Lieblingsrestaurant essen gehe, bekomme ich dort ohne ein Bonusprogramm deutlich mehr Aufmerksamkeit, Service, Freundlichkeit und Extras, als auf meinen Flügen im Miles&More Bonusprogramm.

Ich fliege jeden Monat auf der Route HAJ-BKK und kann damit den Status als „Senator“ gar nicht erreichen, denn selbst 12 x 80 Points pro Richtung ergibt 24 x 80 Points, also insgesamt 1.920 Points von benötigten 2.000 Points pro Kalenderjahr.
Das zeigt den Wert, den M&M für einen Fluggast definiert, der 12 x im Jahr Europa – Asien hin und zurück fliegt.

Die Automatisierungen und die Umstellungen auf elektronisches Agieren kosten letztendlich Zeit und Nerven insbesondere für den Passagier. Für mich als Passagier sind es nicht mehr die Airlines, vielmehr nur noch das Personal dem ich im Rahmen meiner Flüge begegne, die „mich binden“ können. Leider hat ein Großteil des Kabinen- und Cockpitpersonals mittlerweile auch keine positive Bindung mehr an den Arbeitgeber, was man als Passagier bereits deutlich erkennen kann.
Dennoch sind es die Bordbesatzungen für mich, die mich gegenwärtig noch mit Austrian, Swiss und Lufthansa pendeln lassen zwischen HAJ und BKK, auch ohne Vorteile.

Abendessen auf Flug OS25 am 13.05.2025 Frühstück auf Flug OS25 am 13.05.2025

Ich habe Hochachtung vor dem Cockpit- und Kabinenpersonal von Lufthansa/Austrian/Swiss, die in diesen Zeiten ihren Job noch immer mit einem Lächeln absolvieren.
Ansonsten ist das Bordprogramm für mich (24 Flüge auf der Route HAJ-BKK-HAJ pro Jahr) nicht abwechslungsreich genug und das Essen in der ECO schmeckt mir mittlerweile auch nicht mehr. Und seit es Holzbesteck und kein Salz und Pfeffer mehr gibt, nehme ich das Menueangebot an Bord nicht mehr wahr und lehne es freundlich ab. Auch ist das Platzangebot in der ECO nicht mehr ausreichend um angemessen vernünftig speisen zu können.
Immer noch werde ich dann aber überrascht von freundlichem Personal, die nachfragen oder mich später darauf hinweisen, dass für den Fall der Fälle eines aufkommenden Hungergefühls, eine Lösung zugegen sei.

Daher flink mein herzlicher Dank an das Bordpersonal bei LH, Austrian, Swiss (und außerhalb des M&M-Bonusprogramms an die Besatzungen von Singapore Airlines und KLM). Ihr seid der Grund, warum ich in den Maschinen sitze, nicht euer Arbeitgeber!

Wenn sich bei Miles & More und den Airlines allgemein zeitnah nicht etwas ändert, investiere ich zusätzliche Zeit und fliege auf anderen Routen, auch mit Zwischenstopp außerhalb Europas.


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Das Konto meines ersten erreichten Status bei Miles & More in 2024 habe ich löschen lassen, da man nachdem ich eine medizinische Hilfeleistung an Bord erbracht hatte, meine Daten im System "aktualisiert" hatte und ich damit bei jedem Boarding als Arzt indentifiziert wurde. Dies fiel mir auf, als ich an Bord (auf Sitzplatz F) plötzlich vom Kabinenpersonal einmal während eines Nachtfluges direkt angesprochen wurde bei einem medizinischen Notfall (in den vergangenen 3 Jahren habe sehr oft an Bord medizinische Hilfe geleistet), ohne dass es eine - wie sonst üblich - Durchsage gab.
Und weil ich die Frage bereits oft gestellt bekam, der Hinweis, dass ich für Hilfeleistungen vom Bordpersonal stets Dank entgegen gebracht bekommen habe, von LH und Austrian jedoch nie, nicht mal Reinigungskosten für blutverschmutzte Kleidung wurde gewährt.



(10.06.2025 - tho)