Wer will schon nach Ameland?
Da wo Plastik im Watt liegt!
Die Insel hat nur 4 Orte: Hollum, Ballum, Nes und Buren. Die Grundfläche der Insel beträgt knapp 60 Quadratkilometer.
Die mittlerweile von der Insel verschwundenen Dörfer "Sier" und "Oerd" finden sich nur noch als Namen der Fährschiffe, die vom Festland aus die Insel regelmäßig anfahren.
Seit 1801 gehört Ameland zur Provinz Friesland und bis 1777 fuhren ameländer Seemänner von hier aus bis in die Arktis um Wale zu fangen.
Die Menschen aus dem Niederrhein kennen Ameland schon seit etwa 1920/1921, denn damals startete von dort aus die sog. „Kinderlandverschickung“, eine Erholungsreise für Kinder aus der Landwirtschaftsregion Niederrhein auf die holländische Nordseeinsel.
Sie ist bis heute ein beliebtes Reiseziel für Familien und Jugendliche aus Deutschland. Und das ist die Insel zu Recht, oder?
Hier gibt es nur wenige hundert Meter voneinander entfernt zwei sehr verschiedene Meereslandschaften – der klassisch wellenreiche Nordseestrand zur offenen Nordsee hin, sowie das ruhigere Wattenmeer zwischen der Insel und dem Festland.
Und natürlich gibt es hier eine Leibspeise aller Kinder: „Fritten“ oder auch „Pommes“ genannt. Und auch sonst gibt es hier alle Angebote, die Kinder zufrieden und glücklich machen.
Sandstrände, Dünenlandschaften, Radwege, Reitmöglichkeiten, Spielplätze, … und dann plötzlich finden wir bei einer Wattwanderung „Plastikgitter“ mitten im Wattenmeer und machen uns Sorgen um die hiesige Natur.
Es handelt sich hier doch schliesslich um ein Naturschutzgebiet!?
Unser Wattführer Harmen sagt dazu nur: "Das ist eine Forschungsfläche."

Mitten im UNESCO Weltnaturerbe „Wattenmeer“ liegt Plastik zu Forschungszwecken herum?
Harmen Wijnberg, mit dem wir hier unterwegs sind und das Watt erleben, findet diese Forschungsanordnung sonderbar.
Die hier anzutreffende Wasserbewegung sei für die hier ausgebrachten Forschungs-Austern viel zu ungünstig – sagt er nicht nur als renommierter Wattführer. Harmen kommt aus einer alteingesessenen amerländer Fischerfamilie und er hat sehr viel Wissen um das natürliche Leben hier an der See und im Watt.
„Das Plastik hier soll aber biologisch abbaubar sein“ fügt er skeptischen Blickes hinzu.
Holländer sind allesamt sehr nett, freundlich, lustig, zuvorkommend, herzlich, gutaussehend und schlau, aber sind sie auch noch so intelligent, nur wirklich „echt-biologisch-abbaubares Plastik“ hier im Naturschutzgebiet einzusetzen?
Da wollten wir dann doch mal ein wenig genauer hinsehen als besserwissende Deutsche und haben ein Stück Plastik abgebrochen, geklaut, mitgenommen und ins Labor nach Darmstadt geschickt.
Ein guter Freund ist dort als Chemiker tätig und Hans war sofort "feuer und flamme" uns bei dieser Recherche behilflich zu sein. So hat er sich ein Stück vom obig gezeigten geklauten Plastikstück abgebrochen und mit ins Labor genommen.
Es ist:
Ein Kunststoff aus der Klasse der Polyester.
Zu dieser speziellen Polyester-Stoffgruppe gehören vor allem Polylactid und Polyglycolid.
Fazit:
Der hier im UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer eingesetzte "Kunststoff" ist ein Polylactid – oder einfach genannt eine „Polymilchsäure“, also eigentlich nur "Milch". Insgesamt ein sehr moderner Werkstoff.
Er kann chemisch und biologisch abgebaut werden und wird zum Teil sogar biologisch erzeugt. Dieses hier im Wattenmeer zu Forschungszwecken liegende Polylactid kann sogar durch Zellen und Bakterien aufgenommen und auf den herkömmlichen Stoffwechselwegen abgebaut werden.
Polylactid und Polyclycolid sind schon länger in der Medizin bekannt, denn diese Kunststoffe sollen bald auch im Menschen zur Anwendung kommen, z.B. zur Rekonstruktion von Gewebe und Organen, wie auch als selbstauflösende Nägel, Platten und Schrauben bei der Versorgung von Knochenbrüchen, ebenso wie auch als „Medikamentenbatterie“.
So ein modernes und nachgewiesen umweltUNschädliches, biologisch erzeug- und abbaubares "Plastik" wird hier also von den pfiffigen Holländern eingesetzt. Danke, denn damit sind die Holländer schon wieder einen großen vernünftig agierenden Schritt vor uns Deutschen!
Also: Bio-Plastik im Naturschutzgebiet
Jetzt mal ehrlich, wäre es interessanter gewesen, wenn ich über einen Restaurantbesuch berichtet, eine Hotel- oder Campingplatzkritik verfasst und über einen tollen Radausflug auf Ameland geschrieben hätte?
Das alles können Sie doch auch selbst vor Ort herausfinden und erleben! Aber das mit dem Plastik im Wattenmeer fanden wir irgendwie interessanter.
Es macht die Region Friesland, die Insel Ameland und die Holländer doch nur noch attraktiver!
Also, wann besuchen Sie unsere tollen Nachbarn?
(16.12.2016 - tho)