Respektvoll Reisen - geht das überhaupt?

Alles ist im Wandel...

…Klima, Kulturen und sogar das Verantwortungsgefühl bei Reisenden – und zumindest dies im positiven Sinn: Respektvoll reisen wird modern.
Andererseits ist Vielen wohl gar nicht mehr bewusst, in welch verschwenderischem Überfluss und Luxus wir gegenwärtig leben.

Während wir die Küsten und Bergwelten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft oftmals gar nicht mehr kennen, stöbern wir im Internet nach fernen und exotischen, abenteuerlichen und „extremen“ Reisezielen – für die wir ohne zu Zögern 12 und oft noch mehr Stunden in einem Flugzeug sitzen – pro Richtung wohl gemerkt.

"Nur Fliegen ist billiger"

Nehmen wir uns doch mal die Zeit und berechnen anhand eines Ticketpreises, was für einen Kilometer-Preis das für eine solche Reise ergeben mag:

Das Ticket für beispielweise einen Flug Frankfurt – Bangkok – Frankfurt kann man derzeit für etwa 600,-€ buchen. Bei einer Distanz (Luftlinie) von knapp 9.000km ergibt sich also eine Gesamt-Wegstrecke von etwa 18.000km.

600,-€ : 18.000km = 0,033€/km – und da ist kein inkludiertes Getränk und kein an den Sitz geliefertes Essen mitberücksichtigt (den Vergleich zu einem Ticket für den öffentlichen Nahverkehr zum Flughafen sollte man besser gar nicht erst versuchen).
Also 1Cent für 3km oder 10Cent für 30km, bzw. 1,-€ für 300km – und das inklusive Speisen und Getränke.

So schnell und so billig ist man heute zu Besuch in einer ganz anderen Kultur.
Die Reisedauer auf dem Hinflug reicht dabei nicht einmal aus, um sich auch nur annähernd angemessen mit der oftmals völlig unbekannten Kultur am Zielort auseinander gesetzt zu haben.

Cultural Clash

Wenn eine Reise um die Welt für jedermann mit wenigen Klicks organisiert werden kann, so darf es nicht verwundern, dass man am Zielort schnell in‘s kulturelle Fettnäpfchen tritt. Dies fängt oft bereits mit der Sprache an, von einer anderen – für uns teils „unlesbaren“ – Schrift, sowie anderen Sitten und Gebräuchen zunächst einmal ganz abgesehen.
Aber es ist egal ob das Ziel Rom, Bangkok, Nadi, Paramaribo oder wie exotisch auch immer heißt – es gibt Möglichkeit sich adäquat vorzubereiten.

Ein gutes Beispiel ist hier die Broschüre „Reisen mit Respekt“ von der NGO Naturfreunde Internationale (bei dem „Preis“ pro Exemplar sei diese „Werbung“ hier bitte erlaubt).

In der über 90 Seiten umfassenden Broschüre werden Sie als Leser/in u.a. auch mit nachdenklich stimmenden Fakten konfrontiert. Hier ein Auszug:

Hätten Sie gedacht, dass

  • ein 18-Loch-Golfplatz auf den Philippinen pro Tag im Durchschnitt 2,3 Millionen Liter Wasser benötigt? Damit könnten – je nach Verbrauch – 46.000 bis 115.000 Menschen versorgt werden.
  • ein Luxushotel auf Sansibar (Tansania) rund 3.195 Liter Wasser pro Tag und Zimmer für Swimmingpool, Rasenfläche und Wasserversorgung der Gäste verbraucht? Lokalen Durchschnittshaushalten stehen insgesamt nur 93 Liter täglich zur Verfügung.
  • im Jahr 2011 fast 40 Tonnen Elfenbein weltweit beschlagnahmt wurden? Dafür mussten tausende von Elefanten ihr Leben lassen.
  • 70 % der deutschen Urlauberinnen und Urlauber, die zwischen 2012 und 2014 ein Entwicklungs- oder Schwellenland besuchen möchten, eine All-Inclusive-Reise wählen?
  • von jedem Euro, den ein Tourist / eine Touristin in einem Entwicklungsland ausgibt, etwa 40 bis 75 Cent das Land wieder verlassen? Je nach Entwicklungsstand, Infrastruktur und Lage wenden manche Länder einen großen Teil ihrer Tourismuseinnahmen für Importe zur Versorgung der Urlauberinnen und Urlauber auf.
  • im Nordpazifik seit Jahrzehnten ein Müllstrudel treibt, der mittlerweile so groß ist wie Zentraleuropa?
  • in Entwicklungsländern 215 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren arbeiten müssen? 13 bis 19 Millionen Kinder verdienen im Tourismus ihren Lebensunterhalt und tragen zum Familieneinkommen bei.

Wer ein solch lesenswertes Werk erstellt und es dann auch noch Jedermann kostenfrei zur Verfügung stellt – den wollten wir kennenlernen.

Im Gespräch mit:

Cornelia Kühhas

Öffentlichkeitsarbeit Nachhaltige Tourismusentwicklung

Naturfreunde Internationale

www.nf-int.org

Foto: Privat

Frage: Liebe Frau Kühhas, woher kam die Intention zu dieser Broschüre?

Die Naturfreunde Internationale (NFI) – respect setzt sich seit vielen Jahren für eine nachhaltige Tourismusentwicklung ein. Ein wichtiger Pfeiler unserer Arbeit ist das Schaffen von Bewusstsein unter den Reisenden. Denn jede und jeder Reisende hinterlässt Spuren. Aber jede und jeder kann auch dazu beitragen, dass diese Einflüsse positiv auf das Gastgeberland und dessen Bevölkerung – und damit letztendlich auch auf mich als Reisende/r – wirken. Die Basis dafür sind Respekt und Offenheit gegenüber Land und Leuten. Mit der Broschüre „Reisen mit Respekt“ möchten wir auf humorvolle Art zu einer Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Tourismus anregen. Dabei gibt es auch praktische Tipps für die Reisevorbereitung, aber auch zum Verhalten auf Reisen, etwa zum Fotografieren oder zum Umgang mit bettelnden Kindern.

Frage: Und was für Reaktion haben Sie auf diese Broschüre erfahren dürfen?

Die Rückmeldungen zu dieser Broschüre sind sehr positiv. Dabei wird vor allem die gute Mischung aus Hintergrundinformation und praktischen Tipps betont. Wir merken, dass sich immer mehr Reisende kritisch mit dem Thema Tourismus auseinandersetzen.

Frage: Welche Ziele verfolgt die Naturfreunde Internationale (NFI)? Wie viele Mitglieder hat sie und in wie vielen Ländern ist sie vertreten?

Die NFI ist der internationale Dachverband der Naturfreundebewegung mit mehr als 45 Mitgliedsorganisationen und rund 500.000 Mitgliedern weltweit. Im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen die Gestaltung und Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung von Umwelt und Gesellschaft. Die NFI ist Mitglied der „Green 10“, einem Zusammenschluss der zehn führenden Umwelt-NGOs, die auf EU-Ebene aktiv sind.

Frage: Einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte ist die nachhaltige Tourismusentwicklung. Wo liegt hier der Fokus?

Die Marke respect steht seit 2011 für die umwelt- und entwicklungspolitische Stimme der NFI im Tourismus. Mit respect möchte die NFI einen Tourismus fördern, der gleichermaßen ökologisch, soziokulturell und wirtschaftlich langfristig tragbar ist.
Das Ziel von respect ist die Mitgestaltung von Nachfrage, Angebot und gesetzlichen Rahmenbedingungen im Sinne einer Nachhaltigen Entwicklung. Durch die Aktivitäten von respect sollen Reisende, Wirtschaftstreibende und politische EntscheidungsträgerInnen motiviert und befähigt werden, im Rahmen ihrer Handlungsmöglichkeiten auf ökologische und soziale Missstände im Tourismus einzugehen und diesen entgegenzuwirken.

Frage: Wie unterstützen Sie Reisende, die mehr über faires Reisen wissen möchten?

Neben der Broschüre „Reisen mit Respekt“ gibt es weitere Infomaterialen, etwa den „Wegweiser durch den Labeldschungel“ oder das Dossier „Fotografieren auf Reisen“ (alle zum Download auf www.nf-int.org). Aktuell finden Sie auf unserer Website das Online-Quiz „3 Minuten FAIReisen“, das einen unterhaltsamen Einstieg ins Thema bietet: www.nf-int.org/quiz.

Tolle Arbeit und mit der Bröschüre haben Sie haben ein echt empfehlens- und lesenswertes Werk geschaffen!
Vielen herzlichen Dank für das nette Gespräch!

Respektvoll reisen oder Reisen mit Respekt – ein hoffentlich weiter wachsender Trend!

(26.04.2016 - tho)