Malaria Schnelltests - Sinn oder Unsinn?
Angesichts der hohen Zahl von Erkrankungen in Regionen, in denen oftmals nur ein rudimentäres Gesundheitssystem besteht, sind unter „Feldbedingungen“ anwendbare Malaria Schnelltests (RDTs) eine neue diagnostische Option.
Doch wie sieht es mit der praktischen Effektivität gegenüber der „Standarddiagnostik“ aus?
Aktuelle Situation
Laut Schätzungen der WHO kam es im Jahr 2014 zu etwa 149-303 Millionen Malaria-Infektionen, mit etwa 236.000-635.000 assoziierten Todesfällen.
Die meisten Fälle traten dabei in der afrikanischen Sub-Sahara Region auf. Betroffen sind vornehmlich Kindern unter 5 Jahren.
Insbesondere in Regionen mit einem unzureichenden Gesundheitssystem werden viele Malaria-Verdachtsfälle nicht parasitologisch (also mit einer Erregerbestimmung) bestätigt, sondern lediglich auf Basis der oft unspezifischen Symptomatik diagnostiziert.
Hinzu kommt, dass möglichen anderen Auslösern gleichartiger Symptomatiken oft nicht nachgegangen wird, bzw. werden kann. Somit werden bei einem unbestätigten Malaria-Verdacht oft „irgendwelche“ Malariamedikamente eingesetzt, ohne zu wissen ob diese in diesem Fall überhaupt wirken können.

Malaria Schnelltests (RTDs)
Gegenwärtig sind daher Schnelltests auf Malaria ein gern diskutiertes und vielbeworbenes Thema. Bei diesen Schnelltests (RDT: Rapid Diagnostic Test) wird zumeist nach Antigenen (z.B. PfHRP2 von Plasmodium falciparum) von Malaria Erregern gesucht.
Mittlerweile sind diverse dieser Schnelltests verfügbar und laut WHO wurden im Jahr 2014 bereits 314 Millionen dieser Tests verkauft. Zur Erinnerung: Im gleichen Zeitraum schätzte die WHO die Zahl der Malaria-Infektionsfälle auf 149-303 Millionen.
Der Sinn der Anwendung von RDTs ist laut WHO
„eine parasiten-basierte Diagnose in Gebieten bereitzustellen, in denen eine gute Mikroskopie nicht gewährleistet werden kann“.
Dies ist eine ungewöhnliche Begründung, wenn man die Einfachheit und Vielseitigkeit der – ebenfalls parasiten-basierten – traditionellen mikroskopischen Diagnostik bedenkt, welche insbesondere in Endemiegebieten aufgrund der praktischen Erfahrung auch meist sicher beherrscht wird.
Behalten Sie die Aussage doch einfach im Hinterkopf und vergleichen Sie sie mit der WHO-Forderung von 1988, welche im Fazit zitiert wird…
Das CDC meint hierzu z.B.
„Die Verwendung von RDT eliminiert nicht die nötige Malaria-Mikroskopie […] daher ist die Mikrokopie nötig, um die Malaria-Spezies nach einem positiven RDT zu bestimmen“.
Warum aber sollte man zuerst einen teuren Schnelltest anwenden, um diesen dann durch die günstigere Mikroskopie zu bestätigen?
Wie schnell ist ein „Schnelltest“?
Eine mikroskopische Malaria-Diagnose dauert erfahrungsgemäß etwa 5min., (ggf. mit einer zusätzlichen Trocknungszeit, insgesamt max. 30min).
Ein Schnelltest müsste also deutlich weniger Zeit in Anspruch nehmen, um dem Präfix seines Namens gerecht werden zu können.

Die „Geschwindigkeit“ von Schnelltests (in schlau: Lateral flow immuno-chromatographic antigen-detection tests“ – was plötzlich gar nicht mehr so „schnell“ klingt) wird oft als „Minimum specified reading time“ angegeben.
Dies ist jedoch die reine Ablesezeit des Tests, ohne die ebenfalls nötige Probennahme und Vorbereitung.
Die WHO sagt zur Dauer von RDTs „Blut für den Test wird gewöhnlich aus der Fingerkuppe gewonnen und Resultate liegen innerhalb 15-30 Minuten vor“.
Selbst wenn man es also schaffen sollte, einen RDT etwas schneller anzuwenden, so ist eine geringe mögliche Zeitersparnis unter den Bedingungen vor Ort wohl kaum der begründende Faktor einer Anwendung.
Ein Schnelltest ist also real nicht „schneller“ als der mikroskopische Nachweis!
Also, schnell mal nachgedacht
Lässt man sich einmal Pro und Contra durch den Kopf gehen, so kann man schnell zu einigen logischen Feststellungen gelangen, z.B.:
- Mit nur einem einzigen Mikroskop und wenigen Verbrauchsmaterialien können unzählige Diagnosen durchgeführt werden. Ein Malaria-Schnelltest ist hingegen ein Wegwerfartikel zur einmaligen Anwendung. Auf längere Sicht ist ein Mikroskop demzufolge eine kostengünstige Option.
- RDTs sind primär qualitative Verfahren (ja / nein), eine quantitative Bestimmung (also der Erregerzahl) ist dabei nicht möglich – bei einer mikroskopischen Untersuchung schon.
- Malaria RDTs sind hitzeempfindlich und müssen entsprechend transportiert und gelagert werden. Dies stellt insbesondere in entlegenen tropischen Regionen durchaus ein großes logistisches Problem dar. Darüber wann und ob ein Mikroskop hitzebedingt ausfällt, sind leider keine Daten zu finden…
- Mit einem Mikroskop können auch viele andere Auslöser einer Symptomatik bei Malaria-Verdacht nachgewiesen werden. RDTs sind hingegen auf Malaria-Erreger (und hierbei teils auch nur Plasmodium falciparum) beschränkt. Eine effektive Differentialdiagnostik ist jedoch gerade bei der oft unspezifischen Symptomatik von großer Bedeutung – insbesondere in Bezug auf die Therapiemöglichkeiten.
- Eine mikroskopische Differenzierung von Malaria Erregern ist zwar nicht trivial, wird aber von erfahrenem medizinischen Personal oft beherrscht. RDTs sprechen hingegen nur auf einen oder wenige Malaria-Erreger an und haben zudem teils Probleme z.B. durch Kreuzreaktionen von Antigenen, was eine Differenzierung deutlich einschränkt.
- Bei all der Werbung für RDTs auch in der Zielgruppe der Reisenden sollte zudem nicht vergessen werden, dass auch Schnelltests nur von mit der Prozedur vertrauten Personen durchgeführt werden sollten (selbiges gilt natürlich ebenso für die Mikroskopie) – ansonsten besteht ein Risiko, dass die Ergebnisse nicht verwertbar sind.
Ein schnelles Fazit?
Wenn bereits bei einem kurzen darüber Nachdenken Zweifel an der effektiven praktischen Anwendung „moderner“ RDTs verbleiben, muss man sich wohl Fragen, ob die Realität dem „Hype“ gerecht wird.
Ein Schelm, wem der Gedanke kommt, dass hier auch kommerzielle Interessen der Pharmaindustrie beim Verkauf eines neuen Produktes eine Rolle spielen könnten.
Vielleicht wäre das Geld welches für die Förderung der RDTs ausgegeben wird, doch besser in einfache Labore mit Mikroskopen und eine entsprechende Ausbildung von diagnostischem Personal angelegt?
Nein, das ist nicht einmal unsere Idee oder besonders neu, sondern kommt – erstaunlicherweise einmal mehr – von der WHO, welche bereits 1988 schrieb:
„Ein funktionierendes Mikroskop sollte zur Verwendung in der entferntesten Peripherie von Gesundheitssystemen verfügbar sein“.
Eine nach über 25 Jahren leider immer noch aktuelle Aussage!
Zusammenfassend betrachtet sind solche Schnelltestverfahren sicher eine wünschenswerte diagnostische Zusatzoption – aber nicht zur Anwendung durch „einen Reisenden“.
Bei einem Malariaverdacht muss eine umfassende Diagnostik erfolgen, denn zum einen können nicht alle Malariaformen mit dem selben Medikament behandelt werden und zum anderen gibt es noch viele weitere Auslöser malariaähnlicher Symptome.
Also, besser nicht selber „herumdoktern“! Gehen Sie ins nächstgelegene Krankenhaus und vertrauen sie dem dortigen Personal. Dies kennt sich mit Malaria besser aus als unsere hiesigen Mediziner und das Laborpersonal entdeckt den Malariaparasiten im Blutstropfen problemlos. Medikamente zur Behandlung einer Malaria haben sie dort auch, diese sind jedoch leider für die lokale Bevölkerung oft zu teuer.
Unser Tipp
Bei längeren Aufenthalten in Malariagebieten sollte man auch Krankenhausbesuche einfach mal mit einplanen. Ab Ende der zweiten Aufenthaltswoche ist so ein Besuch in einem lokalen Krankenhaus auch für einen „Gesunden“ eine Erfahrung – und ein Malariatest ist nicht teuer und er tut nicht weh.
Vor der Abreise ist es auch ratsam, einfach noch einmal ins nächstgelegene Krankenhaus zu gehen und nochmals eine Untersuchung auf Malaria durchführen zu lassen. Mit dieser Information reist man dann auch viel entspannter zurück nach Hause…

Vielen Dank an unsere Leserin C.B. für die Anregung, diese Thematik einmal auf der Sachebene vorzustellen, da mittlerweile auch in Reiseführern, Foren und Blogs medizinisch nicht begründbare Ratschläge hierzu erteilt werden.
Haben Sie persönlich bereits Erfahrungen mit „Malaria-Schnelltests“ gemacht? Wenn ja, bitte melden sie sich bei uns.
(23.08.2016 - tho)