Irak, ein Land im Aufbruch
Erbil - Bagdad - Sulaimaniyah
Welche Gedanken kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie an den Irak denken?
Aladin's Wunderlampe? Die Stadt Babel (auch "Babylon" genannt)?
Was denken Sie, wie sieht es in Bagdad aus?
Paläste aus 1001 Nacht? Sand oder Palmen?
Das Auswärtige Amt warnt noch immer vor Reisen in den Irak. Die Deutsche Botschaft in Bagdad öffnet die Pforten nur nach vorheriger Terminabsprache, ebenso auch die konsularische Vertretung Deutschlands in der Stadt Erbil, in der autonomen Region Kurdistan.
Aufgrund der Unruhen im Land verließen viele Iraker vor Jahren ihre Heimat und suchten Schutz in Europa und Amerika. Viele von ihnen kehrten oder kehren bereits wieder zurück in den Irak, oft mit im Ausland erworbenem intellektuellen Wissen.
Die gemachten kulturellen Erfahrungen während ihres Auslandaufenthaltes haben gleichsam ihre Spuren hinterlassen und so kehrt nun eine gebildete, kulturell aufgeschlossenere Klasse von Irakern heim.
Die Medien
Während wir uns auf die Reise vorbereiten, machen wir uns natürlich auch in den Medien ein wenig schlau - zumindest versuchen wir das. Es ist aber nicht einfach. In den internationalen Medien wird sehr wenig über den Irak publiziert und das, was geboten wird, wirkt irgendwie "einseitig negativ".
Schiessereien, Attentate, Selbstmordattentäter, islamische Extremisten, Unruhen, zerstörte Städte, ... alles wirkt böse und kaputt.
Lesen wir hingegen in den Geschichtsbüchern oder schauen wir uns Bilder aus der Vergangenheit an, dann passt es irgendwie nicht zusammen.
Vor Augen hat man dabei die Bilder aus dem Märchen von Aladin, dem Sohn von Ali al Maruf. Er soll dem Zauberer eine alte Kupferlampe aus der "Versunkenen Stadt" holen. Als Aladin zufällig an der Lampe reibt, entsteigt aus ihr ein "Dschinn", ein hilfreicher Geist...
Und, erinnern Sie sich auch noch an die Bilder aus dem Film? Haben Sie die Gesichter der Menschen auf den Basaren Bagdad's noch im Gedächtnis?
In der Schule lernten wir auch etwas über die biblische Geschichte. Für Vielreisende ein oft wiederkehrendes Problem, sind die mancherorts auftretenden Sprachbarrieren. In der Bibel gibt es die Geschichte vom "Turmbau zu Babel", die Wiege der vielen verschiedenen Sprachen.
Wußten Sie, dass diese historische Stadt Babel sich nur wenige Kilometer südlich von Bagdad befindet?
Diese Diskrepanz von aktuellen Medienberichten und den Rechercheergebnisse aus der Vergangenheit des Landes vor Augen, machen wir uns auf die Reise von Deutschland nach Erbil in der autonomen Region Kurdistan, dann weiter nach Bagdad...
Unser Flugticket buchen wir bei einem Irakischen Veranstalter und erleben, wie freundlich und zuvorkommend alles funktioniert.
Erbil/Kurdistan
Bei der Ankunft am Airport in Erbil haben wir bereits ein Visum für den Irak im Reisepass. Deutsche, die in der autonomen Region Kurdistan einreisen, benötigen kein Visum für bis zu 15 Tagen Aufenthalt. Wer länger bleiben möchte, muss sich lediglich dort bei den zuständigen kurdischen Behörden melden.
Wer jedoch die Region Kurdistan verlassen und andere Regionen des Irak bereisen möchte, benötigt ein Visum für den Irak, welches vor der Einreise in das Land ausgestellt werden muss.
Wir zeigen der Immigrationsbeamtin am Schalter daher gleich das Irakvisum - was sie aber gar nicht interessiert. Sie stempelt uns ein Kurdistanvisum auf eine andere Seite im Pass, lächelt freundlich und das war's.
Also auf "Durchs wilde Kurdistan"
Zwei Dinge haben gleich bei der Einreise in den Irak für uns so gar nicht gepasst:
> wir wurden von einer Beamtin, also einer Frau, in dieses Islamische Land gelassen,
> und diese Frau hat sogar freundlich gelächelt, was wir bei Immigrationsbeamten weltweit nur selten erleben durften (achten Sie beim nächste Mal auf die Gesichter der deutschen Zollbeamten am Flughafen).
Jetzt sind wir also nicht nur im Irak angekommen, vielmehr sind wir nun im "Wilden Kurdistan".
Schon wieder meldet sich unser Kopfkino und wir haben die Bilder von Karl May's Roman "Durchs wilde Kurdistan" vor Augen.
Diese passen aber nicht zu diesem Flughafen, denn EIA ist ein neuer und moderner, sauberer Flughafen.
Was nur gleich am Airport auffällt, sind die ungewöhnlichen Gesichter der Servicekräfte (Kofferträger, Reinigungskräfte,...).
Vor dem Ausgang steht ein Bus, der alle Fluggäste einige Kilometer weit vor die Tore des Flughafens bringt. Wer zum Flughafen möchte, muss hier durch mindestens 3 Kontrollschleusen, daher dürfen Privatautos und Taxis nicht bis an das Flughafengebäude heran. Dies ist eine sehr effektive Sicherheitsmaßnahme. Durch die Reduzierung der Fahrzeuge ist eine effektivere Kontrolle der Flughafenbesucher und Passagiere möglich.
Jede dieser Kontrollen läuft rigoros und dennoch freundlich ab.
Erbil ist eine im Aufbruch befindliche Stadt. Die Stadt wird auch als Arbil, oder auch Hawler benannt.
Überall wird gebaut, aber nicht einfach nur ein Hochhaus. Es werden gleich ganze Stadtbezirke gebaut.
In diesem Bauboom hat man aber das Zentrum der Stadt mit seiner Geschichte nicht vergessen und hier wird renoviert, ohne die alte Architektur zu verdrängen. Die Zitadelle ist schon zu großen Teilen renoviert und ein begehrtes Ausflugsziel. Wenn man durch diese alten Gemäuer schreitet wirkt alles sehr ruhig - und doch zählt dieser Ort zu den ältesten durchgehend bewohnten Stätten der Erde. Das Alter dieser Stadt wird auf über 4300 Jahre geschätzt.
In einem klassischen Teehaus wird man als Ausländer nur bedingt anders behandelt. Man spricht vornehmlich Kurdisch und das können nur wenige Nicht-Kurden. Also bemüht man sich sehr zuvorkommend, mit dem ausländischen Gast zu kommunizieren. Wenn der Kellner es nicht schafft, hilft gerne und unverzüglich einer der anderen anwesenden Gäste. Ansonsten wird man freundlich angelächelt und ist ein Gast wie jede andere Person. Lediglich beim Bezahlen kann es dann zu "Schwierigkeiten" kommen.
Ausländische Besucher ist man noch nicht wirklich gewohnt und daher lehnen die Teehausbesitzer es machnmal ab, dem ausländischen Gast den Tee zu berechnen. Sie fühlen sich durch den Besuch geehrt und wenn man beim Verlassen des Teehauses bezahlen möchte, winken sie ab, bedanken sich herzlich für den Besuch und bitten darum, möglichst bald wieder einmal für einen Tee ins Teehaus zu kommen.
Als Zahlungsmittel gilt hier noch Bargeld, entweder Irakische Dinar oder amerikanische Dollar. Den Euro will hier keiner haben, also wer keine US$ oder Irakische Dinar in der Tasche hat, muss Geld wechseln, was hier auf der offenen Straße an kleinen Tischen oder Schränkchen gemacht wird. Hier auf der Straße ist der Kurs besser als in jeder Bank, was uns ein wenig stutzig macht.
Wir tauschen € in US$ und wundern uns nicht nur über den sehr guten Kurs, sondern auch über einen Stempel, den der Geldwechsler auf die Dollarscheine drückt. Er erklärt uns, dass dies "sein Stempel" ist und wo immer wir im Irak mit dem Dollarschein bezahlen würden, könnte man so nachvollziehen, woher ich den Schein habe. Sollte es sich also um Falschgeld handeln, wüßte man sofort, wo es herkommt. Für uns ist dies somit eine Sicherheit. Einfach und effektiv.
Ach ja, nicht vergessen zu erwähnen möchten wir den Einfluss der Katholiken hier in Erbil. Der Irak ist ein islamisches Land und von daher gibt es hier in Hotels und Restaurants auch keinen Alkohol. Wer aber ein alkoholisches Getränk zu sich nehmen möchte, der begibt sich einfach ins katholische Viertel der Stadt. Man erkennt es ganz einfach daran, plötzlich überall Werbeschilder von Tuborg, Heineken, Efes, oder sogar Corona Beer zu sehen. Hier wird jeglicher Alkohol sehr günstig verkauft und verzehrt.
Ein topmoderner Flughafen, eine renovierte Zitadelle mit modernem Basar und schönem öffentlichen Platz im Zentrum, aufgeschlossene und freundliche Menschen und ein wunderbares Klima jetzt im März. Bisher eine sehr schöne Reise.
Bevor es für uns nun in die weite Landschaft Kurdistan's geht, fragen wir uns natürlich, wie es mit der medizinischen Versorgung hier aussieht, schliesslich haben wir im Vorfeld der Reise viel darüber gelesen, wie "vertrauenserweckend" der Fahrstil der Einheimischen sein soll, ebenso "grausam" soll auch die medizinische Versorgung hier sein. Wo also würden wir im Fall der Fälle medizinisch versorgt werden?
Es gibt mehrere Krankenhäuser in Erbil und wir stoppen einfach mal am PAR Hospital, an dem wir schon ein paar mal vorbeigefahren sind.
Das Krankenhaus wurde erst vor einem Monat eröffnet, wie wir von Herrn Hemin Essa erfahren, der uns spontan und freundlich durch das Haus führt. Es handelt sich um ein privates Krankenhaus.
Mal abgesehen von den modernen Geräten und der modernen Ausstattung, fragen wir, wie es denn mit dem ärztlichen Personal aussieht? In den leitenden Positionen handelt es sich oft um Rückkehrer aus den USA und aus Europa. Die Ärzte haben oft viele Jahre im Gesundheitssystem der USA oder in Europa gearbeitet und kommen nun zurück in ihre Heimat, wo sie nun bessere Arbeitsbedingungen vorfinden, wie sie beispielsweise auch bei uns in Deutschland vorherrschen.
Auch aus Sicht eines Patienten ist es hier deutlich angenehmer als in einem deutschen Krankenhaus.
Was uns aber auch hier wieder auffällt, sind die ungewöhnlichen Gesichter des Servicepersonals (Krankenschwestern, Pfleger, Reinigungskräfte,...).
Mit diesem Wissen brauchen wir für die Reise durch das ländliche Kurdistan nun nur noch einen guten Fahrer.
Schon beim Verlassen des Stadtgebietes sehen wir wie neue Pipelines verlegt werden. Öl ist das größte Gut des Landes. Ob die Verlegung der Pipelines unteridisch ein wirklicher Vorteil gegenüber der oberirdischen Verlegung ist, vermögen wir nicht zu beurteilen. Aber für das Landschaftsbild ist dies sicher schöner.
Aus den anfänglich hügeligen Gebieten werden schnell Berge und Landschaften mit tiefen Schluchten.
Ja, das ist mit den vielen Wasserfällen wirklich so, wie Karl May es beschrieben hat.
Immer wieder und unverhofft tauchen unterwegs Kontrollstellen auf, aber es sollen bereits viel weniger sein als noch vor 3 Jahren. Die Kontrollen selbst sind schnell, rigoros und nicht unfreundlich. Sie vermitteln uns ein Gefühl von Sicherheit.
Und so geniessen wir die wunderschöne Landschaft Kurdistans umso entspannter...
Auf nach Bagdad
Feiertage - Irakvisum und lokale Bürokratie - Sicherheitslage am Tigris - ...
Happy Newroz!
Das kurdische Neujahrsfest Newroz, das am heutigen 21. März gefeiert wird, ist aus dem Widerstandsgeist des kurdischen Volkes entstanden und symbolisiert diesen bis heute. Es ist wahrscheinlich das älteste kurdische Fest und wurde erstmals 612 v. Chr. gefeiert. Newroz wurde und wird als Beginn eines neuen Jahres, wenn der Winter vorbei ist und dar Frühling kommt, gefeiert.
Erst vor wenigen Tagen, am 16. März, gab es in Kurdistan den Gedenktag "Halabja".
Dieser Tag steht für den Anschlag auf die kurdische Stadt Halabja, die sich etwa 240km nordöstlich von Bagdad befindet. Sie ist zum Symbol für den Krieg des irakischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung geworden.
In den frühen Morgenstunden des 16. März 1988 flog eine Formation irakischer Kampfflugzeuge die kurdische Stadt an. Bestückt waren die Maschinen mit einer tödlichen Waffe: Giftgas, das in den Chemiefabriken des irakischen Staates hergestellt wurde.
"Insektenvernichtungsmittel", wie es im offiziellen Sprachgebrauch hieß, Gift zur Vernichtung von Menschen, für "Perser, Juden und andere Insekten" produziert, wie Tarik Aziz, Ex-Vizepräsident des Irak, dem früheren Leiter der UN-Waffenkontrollteams Richard Buttler erklärte.
Umgesetzt werden konnte diese Giftgasproduktion mit der Hilfe deutscher Unternehmen, die im großen Stil Rohstoffe, Fertigungsanlagen und Know-How zur Produktion von Massenvernichtungswaffen an das irakische Regime geliefert haben - dies sogar über Jahre.
Die Erkenntnisse der Ende der 80'ger Jahre eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungskommission, die Ermittlungen der Darmstädter Staatsanwaltschaft im sogenannten “Giftgasverfahren", die Quellen und Dokumente internationaler Organisationen legen nahe, dass dies der Bundesregierung bekannt war. Konsequenzen daraus wurden jedoch nie gezogen.
Die Piloten mussten so tief über Halabja hinwegfliegen, um ihre tödliche Fracht in Mitten der Stadt zu platzieren, dass die Menschen am Boden sogar die Kennungen auf den Flugzeugen lesen konnten.
Als sich das Gift verteilte, war es bereits zu spät zu fliehen. 5.000 Menschen, Männer, Frauen und Kinder, starben an diesem Tag in Halabja einen grausamen Tod. Über 10.000 wurden lebensgefährlich verletzt, viele von ihnen verstarben später an den Folgen des Angriffs. Der Rest der Bevölkerung floh, ihre Häuser wurden von nachrückenden irakischen Truppen niedergewalzt.
Der Angriff des 16. März ist kein Einzelfall geblieben. 4.500 kurdische Siedlungen wurden zerstört, 180.000 Menschen im kurdischen Nordirak verschleppt oder ermordet. In mindestens 42 Fällen hat das irakische Regime nachgewiesenermaßen Giftgas gegen die kurdische Bevölkerung eingesetzt. Die ländliche Bevölkerung wurde zusammengetrieben, Jungen und Männer zwischen 15 und 50 Jahren wurden auf Lastwagen abtransportiert. Ihre Spur verliert sich im Südirak. Die restliche Bevölkerung wurde in militärisch bewachte Sammelstädte deportiert. War eine Region von “Rebellen befreit", sprach man von einem Akt der “Reinigung". Dies alles geschah auf den Befehl der irakischen Regierung, vor Ort organisiert von Hasan Ali Majid, Cousin und Vertrauter von Ex-Staatspräsident Saddam Hussein und von diesem mit umfassenden Vollmachten ausgestattet.
Warum führen wir dies hier an?
Kurdistan ist eine autonome Region im Irak. Wie schon beschrieben, gibt es unterschiedliche Visabestimmungen für eine Einreise nach Kurdistan und für die Einreise in die restlichen Regionen des Irak.
Unsere Reise geht weiter, erst mal zum International Airport Erbil, wo wieder mehrere Sicherheitskontrollen zu absolvieren sind, bevor wir überhaupt an das Flughafengebäude heran kommen. Freundlich und bestimmt, geht es recht schnell, da jeder sich an die Weisungen hält und niemand zu diskutieren beginnt. Danach der klassische Check-in und dann durch das neue Flughafengebäude zum Flieger.
Es geht aber nicht "durch den Finger" in den Flieger, sondern mit dem Bus aufs Vorfeld, wo die "kleine" Maschine startbereit auf uns wartet. Noch ist die tägliche Nachfrage an Flügen nach Bagdad relativ gering, was sich aber gewiss schon bald ändern wird.
Mit Flug IA908 geht es nun also los, in die geschichtsträchtige Metropole Bagdad. Wie gewohnt, gibt es vor dem Start die Sicherheitshinweise, diesmal in kurdischer Sprache und in englischer Sprache - bedenkt man, dass die Amtssprachen im Irak "Kurdisch" und "Arabisch" sind, fehlt mir irgendwie die arabischer Version. Überhaupt fällt uns schon seit ein paar Tagen auf, dass hier sehr viel englisch gesprochen wird.
Während des kurzen Fluges grübeln wir darüber nach, wie dies zusammen passt: überall wird englisch fast wie die Alltagssprache gesprochen und warum sehen so viele Menschen hier "so anders" aus?
Der Flug nach Bagdad dauert nur eine gute halbe Stunde und schon während des Anfluges auf den Flughafen sieht man den leicht orange-rötlichen Schimmer in der Luft, das klassische Bild eines leichten Sandsturmes.
Auf den wenigen Metern von der Maschine zum Bus lernen wir auch schnell den "Geschmack Bagdad's" kennen, denn die kleinen Sandkörner reizen nicht nur die die Augenschleimhäute, sie finden beim geringsten Lächeln auch sofort ihren Weg zwischen die Zähne...
Auch wenn es ein nationaler Flug war, so müssen alle Passagiere durch die Immigration und als Non-Iraqi stellen wir uns auch am entsprechenden Schalter an.
Schon im Bus vom Flieger bis hierher ist uns aufgefallen, das viele ausländische Soldaten und ausländische Polizeibeamte ihren Ausweis als Brustbeutel offen zur Schau stellen. Das wirkt ein wenig befremdlich, denn auch sie müssen sich artig hier an der Non-Iraqi Schlange anstellen. Warum also tragen sie ihre Identität so offen?
Egal, wo auf der Welt man an einen Immigration-Schalter kommt, es ist immer wieder ein "Moment der Wahrheit", denn an diesem Schalter entscheidet sich, ob man "würdig ist das Land zu betreten", oder ob nicht. Wir haben ja ein Visum eingeklebt und sind daher guter Dinge.
Aber... es dauert... und dann kommt die Frage: Woher kommen Sie?
"Aus Erbil", antworten wir.
"Haben Sie dort den Flughafen verlassen?, kommt die Frage zurück.
"Ja, wir waren bereits ein paar Tage in Erbil", antworten wir.
Selbst das Lächeln in unseren Gesichtern half nicht. Die Aussage, die man an einem Immigrationsschalter nie hören möchte, wurde uns entgegen gebracht: "Sie haben damit kein Visum für den Irak und müssen zurück nach Deutschland!"
Ein kurzes Lächeln, dann gab es den Pass zurück und den deutlichen Hinweis, zurück zu gehen - und nicht weiter in den Airportbereich.
"Wohin, es gibt keinen Flieger in den wir steigen könnten? Dazu müssten wir ein Ticket erwerben, was hier im Ankunftsbereich VOR der Immigration nicht machbar ist?"
Freundlich, aber bestimmt werden wir an einen Visaschalter unweit verwiesen. Dort stellen wir uns an einer großen Warteschlange an... bis ein in zivil gekleideter junger Mann uns im Vorbeigehen anspricht und fragt, was wir denn hier wollten.
Einfach nur rein, in den Irak, nach Bagdad.
Er schaut in den Pass, während wir ihm die Angelegenheit kurz schildern - ohne wirklich daran zu glauben, dass dieser junge und unscheinbare Mann uns wirklich würde helfen können - er macht eher den Eindruck, als würde er unsere Koffer tragen wollen und damit seinen Unterhalt bestreiten.
Falsch gedacht! Der junge Mann spricht u.a. auch Deutsch, sogar sehr gut. Er ist ein verdeckter Immigrationsbeamter und klärt die Angelegenheit recht direkt, in dem er den Schalterbeamten, der seine Entscheidung zu erklären versuchte, einfach nur zurecht weist und ihm zuträgt, was unmittelbar nun zu tun sei, damit wir ungehindert und problemlos weiter kommen könnten auf unserer Reise.
Auf der anderen Seite des Schalters sehen wir bereits einen seriösen Herrn, der sein Augenmerk auf uns geworfen zu haben scheint. Er kommt mit einem freundlichen Lächeln an allen Sicherheitskräften vorbei, auf den Schalter zu und fragt nach unseren Namen. Nazan Al-Helaly ist sein Name, er ist der Leiter des Protokolls des Irakischen Gesundheitsministeriums. Er erwartete uns bereits.
Mit protokollarischer Begleitung verlassen wir das Flughafengebäude und es geht mit dem Auto Richtung Bagdad Innenstadt. Auf der Fahrt wundern wir uns über die Leichtigkeit, mit der wir das Flughafengebiet verlassen konnten - alles ohne jegliche Sicherheitskontrolle. Vor Allem aber, wie unscheinbar und klein der Flughafen ist - im Vergleich zu Erbil.
Die ersten km fahren wir stets an Mauern vorbei. Alles scheint hier abgeriegelt zu sein und wir fragen, ob Bagdad denn so weit weg sei vom Airport?
Bagdad ist nicht weit entfernt, aber es geht um Sicherheit - und dazu gehört auch die Sicht!
Und dann gibt es auch gleich den Hinweis, dass gegenwärtig das Fotomachen in der gesamten Region verboten ist.
Hmmm, nun sind wir mal in der historischen Stadt Bagdad und können kein Foto machen?
Alle paar hundert Meter befinden sich Sicherheitsposten, Kontrollposten, Beobachtungsposten, gepanzerte und bewaffnete Kontrollfahrzeuge, .... da ist es schon nachvollziehbar, warum soetwas nicht fotografiert werden sollte.
Hinten im Auto sitzend, zuckt der Finger an der Kamera dennoch, aber wir werden keines dieser Bilder zeigen.
Das Straßensystem scheint recht modern und großzügig und man kommt schnell vorwärts. Unser Ziel ist ein Hotel am Ufer des Tigris.
Auf der Fahrt dorthin in der Innenstadt zeigt sich ein klassisch arabisches Straßenbild, mit vielen Geschäften und Händlern. Die Straßen sind voll und wo immer es gerade eine Straßensperre gibt, man akzeptiert dies - nur nicht unser Fahrer...
Unser Hotel befindet sich unmittelbar am Firdos Square, dem Platz, wo eine Statue von Saddam Hussein stand, die beim Umbruch medienwirksam umgestürzt wurde. Liegt es da nicht nahe, auch mal an genau diesem Platz ein Foto zu machen? Wir haben es machen wollen, aber nur wenige Sekunden später gab es Schüsse und wir unterwarfen uns der realen Situation.
In Bagdad herrschen Unruhen und wachsame Augen verschiedener Gruppen beobachten die Situation.
An genau diesem Punkt fragen wir uns nochmals, warum Menschen hier ihre Identität offen vor der Brust tragen, wie wir es am Flughafen bei den Ausländern sehen konnten? Vor dem Hotel warten Sicherheitstrupps mit Wagenkolonnen auf ihre Gäste, internationale Wirtschaftsvertreter und Medienvertreter. Wie sinnvoll ist dies, fragen wir uns, mit einer so offensichtlichen Sicherheitstruppe durch diese Straßen zu fahren? Ist man damit nicht noch deutlicher als Ziel auszumachen?
Im Hotel angekommen, betreten wir einen goldenen Käfig - zur Mittagszeit blendet es unsere Augen. Hier ist alles aus Gold!
Das Personal ist 5*-wert und perfekt. Die Zimmer sind vorbereitet - auch hinsichtlich der Sicherheit, man kann selbst am Abend nicht von Außen sehen, welche Zimmer bewohnt sind.
Bagdad hat noch immer einen Charme, der an vergangene Zeiten erinnert, nicht an die "nahe Vergangenheit" vielmehr an die wirkliche Vergangenheit. Es sind die Menschen, die diese Stadt positiv mit Leben füllen und die uns Ausländern mit einem Lächeln begegnen. Wir haben nirgendwo einen mißgünstigen Blick erleben müssen und wo immer wir in eine Kontrolle gekommen sind, es waren sehr freundliche - aber auch bestimmte - Weisungen, die uns stets ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit gegeben haben.
Bagdad ist, selbst mit diesen vielen zerstörten Gebäuden, eine Stadt wie aus 1001 Nacht. Die Menschen hier sind herzlich - angemessen skeptisch - und sehr aufgeschlossen freundlich.
Ja, wir sehen regelmäßig Kampfhubschrauber die Green-Zone anfliegen, und ja, wir hören auch Schüsse, aber Bagdad ist nun mal keine Kleinstadt und Schüsse oder Messerstechereien haben wir in Hannover auch nicht gerade selten.
Wir möchten die Situation auch nicht herunterspielen, aber wir geben zu denken, dass es sich im Irak um ein Land im Umbruch handelt. Man ist bereits so weit, sehr viel Energie dafür aufzuwenden, die medizinische Versorgung der Bevölkerung deutlich zu verbessern. Dazu gehört neben dem Erwerb von Hightech nun mal auch die Verbesserung des Ausbildungssystems - und daran wird hier im Irak sehr stark gearbeitet.
Es ist zu hoffen, dass wir hier in Europa den Irakern angemessen freundlich und zuvorkommend entgegen treten. Wir hier in Europe müssen an einem Klischee arbeiten, was uns manchmal schwer zu fallen scheint...
Warum so viele Menschen hier ein sehr gutes English sprechen, haben wir herausfinden können. Der Krieg brachte die Sprache ins Land.
Was wir hier in Bagdad "vermisst" haben, waren die "fremden Gesichter", die uns in Kurdistan überall aufgefallen sind. Hier in Bagdad sind es die Iraker selbst, die arbeiten. In Kurdistan sind es Inder, Menschen aus Bangladesch, die arbeiten. Der ganze Servicebereich wird dort durch ausländische Arbeitskräfte abgedeckt. In Kurdistan "lässt man arbeiten", während hier in Bagdad die Iraker selbst arbeiten...
Entstanden aus diesen Erlebnissen ist ein Audit-Projekt im Rahmen unseres medicalQM
(21.03.2013 - tho / Update: 24.04.2015)
Hinweis:
Die Inhalte dieses Portals sind urheberrechtlich geschützt. Die Nachrichten sind nur für die persönliche Information bestimmt. Jede weitergehende Verwendung, insbesondere die Speicherung in Datenbanken, Veröffentlichung, Vervielfältigung und jede Form der gewerblichen Nutzung sowie die Weitergabe an Dritte – auch in Teilen oder in überarbeiteter Form – ohne schriftliche Zustimmung von mediScon, ist untersagt.