Bali heute...
Bali - Ruhig und Ehrlich
Das klingt provokant, nicht wahr? Aber beide Worte stehen auch für etwas "außergewöhnliches"...
Seit das einst mächtige hinduistische Königreich Majapahit unter dem Ansturm islamischer Heere von Sumatra nach Bali geflüchtet war, haben die Balinesen ihre einzigartige Religion und Kultur bis heute bewahren können. Sogar Missionare haben sich vergeblich um ihr christliches Seelenheil bemüht. Bisher wird die fremde Religion von den Muslimen in Indonesien liberal toleriert und nicht bekämpft, wenn man mal von den verheerenden radikalen Anschlägen in Kuta und Jimbaran absieht.
Der Mythos Bali, die Sehnsucht der Europäer nach dem tropischen Paradies, hat sich bis heute hartnäckig gehalten.
Trotz des Ansturms der Massen entspricht Bali noch heute dem Klischee einer Südseeinsel wie Tahiti oder Hawaii. Nur haben die Balinesen ihren eigenen Rhythmus, ihre Kultur und ihre eigenständige Welt bewahrt.
Als das erste holländische Schiff im 16. Jahrhundert Bali erreichte, desertierte die komplette Besatzung: Die Seeleute glaubten, das Paradies, den Garten Eden gefunden zu haben, mit weiten Palmenstränden und willigen Schönen unter den Insulanerinnen. Zwei Jahre benötigte der Kapitän, um wenigstens einige der Leute zur Rückkehr nach Europa zu überreden.
Es müssen diejenigen gewesen sein, die durch ihre Erzählungen den Mythos Bali begründet haben, der jetzt zum Südseetraum der Massen geworden ist.
Immer wieder erlagen seither Menschen den Verlockungen dieser Insel. Abenteurer und Forscher, Künstler und Aussteiger, Berühmtheiten und Unbekannte waren hier, viele sind wiedergekommen und manche auch geblieben.
Das liebenswerte, künstlerisch und musisch begabte Volk hat durch seine leidenschaftliche Sinnlichkeit viele Europäer in seinen Bann gezogen. Ein wirkliches Traumparadies, eine eigene Welt. In diese Vorstellung mischen sich aber auch die verheerenden Ausbrüche mächtiger, immer noch tätiger Vulkane, sowie jährliche Monsunstürme, die nicht so recht in das paradiesische Bild passen.
Die Balinesen halten ihre Insel für ein getreues Spiegelbild des Himmels: Tief eingeschnittene Täler zerfurchen sanfte Hügel und über saftig grünen Reisterrassen thronen die heiligen Tempel, in denen friedliche Hindus zu ihren Göttern beten. Anders als ihre muslimischen Landsleute auf den 17.000 indonesischen Inseln sind die Balinesen weltoffen und trotzdem tief gläubig, konservativ und trotzdem tolerant, fatalistisch und trotzdem ehrgeizig.
Wohin der Weg auf Bali auch führt - nach Tana Lot, dem Meerestempel, nach Sangeh, dem Wald der heiligen Affen, nach Ubud, dem Musiker- und Künstlerdorf, zur Elefantenhöhle Goa Gajah oder zur Fledermaushöhle - immer sollte man nach dem unverfälschten Bali suchen.
Aber gibt es das noch?
Ja, das Ehrliche Bali
Mit der richtigen Auswahl und Mischung ist es auch 2015 noch möglich, ein authentisches Bali zu erleben.
Ankommen und abseits des Tourismus wohnen, ist die wohl wichtigste Grundregel. Denn es gibt sie noch, die echt balinesischen Unterkünfte mit Familienanbindung, balinesischer Kultur und Dorfgemeinschaft. Ein echt gutes Beispiel dafür findet sich im Norden der Insel bei der lieben Dayu - Lafyu Bali - , wo es neben balinesischer Herzlichkeit und Gastfreundschaft, auch noch authentisches Leben in einem balinesischen Umfeld gibt und wo der Gast auch eingebunden wird in das Wissen um die Natur und die Natürlichkeit des Lebenszyklusses.
Ja, das Ruhige Bali
Von einem derartigen Ausgangort kann man die Insel erkunden. Über die Bauwerke der Insel steht in vielen Büchern viel geschrieben und so kann man sich sehr gut auf die Besuche vorbereiten und muss dann auch nicht alles glauben, was so manch ein Guide einem vor Ort für Geschichten erzählt.
Nach wie vor sind die allgegenwärtigen Tempelfeste die Highlights in Balis Alltagsleben: Man bummelt über Dorfplätze, die von mächtigen Banyanbäumen überschattet werden. Nichts ist los - nur Gänse und Enten schnattern ungestört umher. Plötzlich ertönt im nächsten Dorf ein lauter Gong - geschmückte Bambusstangen biegen sich über die Dorfstraße und weisen auf ein besonderes Ereignis hin. Hinter einer Biegung sieht man dann auch schon die Prozession von Frauen - festlich in Brokatschärpen gekleidet. Mit graziler Leichtigkeit balancieren sie kunstvoll arrangierte Türme aus Früchten, Blumen und Reiskuchen auf ihren Köpfen - bis zu 1 Meter hohe, gewichtige Opfergaben.
Die Feste sind wichtige religiöse und soziale Ereignisse. Vor dem Tempel strömen die farbenfrohen Gläubigen auch aus anderen Dörfern zusammen. Ein rotes Backsteintor mit steinernen Wächtern nimmt alle auf. Dahinter aber liegt eine schroffe Mauer, die einen direkten, geraden Weg in das Heiligtum versperrt. Dämonen und böse Geister können eben nicht um Ecken gehen, sondern nur geradeaus - daher das verwirrende Labyrinth der Tempeleingänge. Die Gamelanorchester mit silberhellen Glocken und dumpfen Xylophonen geben der Zeremonie etwas Erhabenes: Hier vermählen sich Himmel und Erde und die Götter schauen dem religiösen Treiben von ihrem Vulkan Gunung Agung wohlgefällig zu und vergewissern sich, dass ihnen durch Opfer und Huldigung auch die nötige Ehre zuteil wird.
Aber auch Dämonen und böse Geister wachen penibel über eine gerechte Verteilung der Opfergaben. Eine Versöhnung dieser beiden Gegenpole ist für die Balinesen von essenzieller Bedeutung.
Und so finden auf der Insel der 30.000 Tempel an jedem Tag über 80 Tempelfeste statt. In einem von uns besuchten Tempel kommt plötzlich Unruhe in die Idylle.
Alles strebt dem Hauptplatz der Anlage zu, um die Zeremonie des Barongtanzes mitzuerleben. Der Barong ist ein legendäres Mischwesen aus Bär und Löwe und symbolisiert das Gute. In einem verwegenen Tanz soll er die Personifizierung des Bösen, die unerbittliche Hexe Rangda, besiegen.
Und auf die braucht die feiernde Dorfgemeinschaft nicht lange zu warten: Mit heraushängender Zunge und gefährlichen Fangzähnen erscheint die Oberhexe.
Unter dem Gejohle der Zuschauer gibt es nun Hauen und Stechen. Die einheimischen Zuschauer leiden mit und erleben fast jeden Tag erneut in diesem Kulturspektakel den Sieg des Guten über das Böse. Das "Happy End" wird durch den Kecaktanz der männlichen Dorfbewohner gefeiert:
Im Kreis - erst stehend, dann sitzend - verneigen sie sich im Takt von Schnalzlauten rhythmisch zur Mitte hin.
Alle haben sich durch balinesische Rauschpilze in Trance gebracht und immer wieder bricht einer von ihnen ohnmächtig zusammen...
Aber was hat das alles mit "Ruhig" zu tun?
Um zu den auf der ganzen Insel verstreut gelegenen Anlagen zu kommen, sollte man sich einen vertrauenswürdigen Guide nehmen und damit sind wir auch schon beim Thema. Seit vielen Jahren besuchen wir Bali immer mal wieder und haben dabei einen Freund gewonnen, für den Ruhe ruhiger ist, als sie es für uns je sein könnte. Sein Name ist Wahyu und er ist gehörlos.
Schon wiederholt haben wir Freunden Wahyu als Guide empfohlen, aber ohne ihnen zu sagen, dass er gehörlos ist. Nach einem ersten kurzen Grübeln über das, was sie da vielleicht mit Wahyu an "Kommunikationsproblemen" vor Ort bekommen könnten, kam unmittelbar bei Jedem ein Lächeln ins Gesicht, denn die Touren haben sie ja schon vorab mit ihm via Email abgesprochen und alles war kein Problem. Und so war es dann auch stets, wenn sie von Wahyu bei der Ankunft am Flughafen in Empfang genommen wurden.
Sie sollten einmal überlegen, ob sie nicht auch mal "einen anderen Guide", nämlich einen vertrauensvollen, verlässlichen, freundlichen, zuvorkommenden und sehr liebenswerten Jungvater als Guide in Betracht ziehen. Seine Webseite verrät schon vom Domainnamen her, was sie erwartet - siehe www.BaliDeafGuide.com
Konrad Lorenz und die Entenhirten
Während alle nach Hause eilen, bevor die Dunkelheit einbricht und die Geister frei und frech werden, lenkt ein Mann mit einer langen Bambusstange, an deren Spitze ein Wimpel aus Federn flattert, eine schnatternde Entenherde den Dorfweg hinunter. Kommt ein Fahrzeug, schwenkt der Entenhirte den Bambus in die Reisfelder und wie von Geisterhand bewegt, folgen ihm die Enten.
Konrad Lorenz lässt grüßen: Der Federbusch, den sie nach dem Schlüpfen als erstes erblicken, prägt die Enten ein Leben lang. Sie folgen ihm wie einer Mutter und weichen auch nicht von ihm, wenn er in ein Reisfeld gesteckt wird. Den balinesischen Hirten ist dieses Phänomen wohl schon seit Jahrhunderten bekannt. Ist der Nobelpreisträger Lorenz damit dann ein Plagiator?
Balis Kultur ist unsterblich
Ich war Mitte der 80er-Jahre zum ersten Mal auf Bali. Und was für mich paradiesisch war, hätten andere längst mit der Etikett "verlorenes Paradies" überklebt: Vicki Baum, der spanische Maler Covarrubias und nicht zuletzt der Botschaftsrat, der in den 80er'n in Jakarta unser Visum verlängerte.
Er war in der 1970er-Jahren zuletzt auf Bali und kam nie wieder zurück, um sein unverfälschtes Bild vom alten Bali zu erhalten.
"Schade, dass sie nicht früher gekommen sind. Sie werden sehen, dass Bali verdorben ist."
Aber Bali und seine Kultur sind unsterblich. Man muss sich um beides keine Sorgen machen. Sein kulturelles Erbe kann dem Kolonisierungsdrang des Westens widerstehen. Bali wird seine Seele retten können. Denn wie in einem Seerosenteich liegt jeden Morgen eine Frangipaniblüte im Waschbecken meines Badezimmers.
Die hier abgelegten Bilder habe ich während meines letzten Aufenthaltes in der Villa Orchid in Ubud gemacht, ein Ort an dem ich seit 1996 immer wieder einkehre.
(16.01.2015 - tho)