Eine Reise nach Terra Australis

Ein unbekanntes Südland, Terra Australis Incognita, müsse existieren, als Gegengewicht zu den Landmassen auf der Nordhalbkugel, spekulierte der griechische Geograph und Philosoph Claudius Ptolemäus um 150 nach Christus.
Und so wurde in antiken und mittelalterlichen Karten immer auch ein noch nicht entdeckter Südkontinent eingezeichnet.
Ferdinand Magellan hielt Anfang des 16. Jahrhunderts Feuerland für die Südspitze dieser unbekannten Landmasse.
Francis Drake widerlegte dies und gab der Drake-Passage ihren Namen, auf Land im Süden stieß er aber nicht.
James Cook entdeckte Südgeorgien, musste aber erkennen, dass dies eine Insel ist und kein Kontinent.
Erst 1820/21 erblickten die ersten Menschen Südland: Edward Bransfield und Gottlieb von Bellingshausen – und knapp 200 Jahre später auch ich.

Auf der Bark Europa, 1911 als Feuerschiff vom Stapel gelaufen und von 1987 bis 1994 zu einem Dreimaster umgebaut, überquerte ich den Atlantik, von Ushuaia in Argentinien bis Kapstadt in Südafrika mit Aufenthalten auf der antarktischen Halbinsel, Südgeorgien und Tristan da Cunha.
Wir, die 40-köpfige Reise-Crew, unterstützen dabei die 17 Seemänner und -frauen: am Bug Ausschau und am Steuer den Kurs halten, Segel setzen, einholen und die Rahs brassen und was sonst noch so anfällt. Zu Beginn aber war oft der Eimer der beste Freund, vor allem auf der berüchtigten Drake-Passage.

Am 15. Februar 2019 setzten wir Fuß auf die antarktische Halbinsel. Es ist schwer in Worte zu fassen, was mir in diesem Moment und auch danach durch den Kopf ging. Aber es ist einen Versuch wert.

Zunächst hatte ich das Gefühl, es verdient zu haben. Die Drake-Passage lag hinter uns, wir haben sie mit einem Segelschiff überwunden. Andere benutzen dafür moderne Kreuzfahrtschiffe und einige sogar die Variante des Fly and Cruise. Besondere Momente werden aber erst dann besonders, wenn sie erarbeitet, erlitten und vielleicht sogar erkämpft werden. Die Antarktis ist besonders und eine luxuriöse Anreise wird ihr in keinster Weise gerecht.

Dann kam das Gefühl der Scham. Vielleicht hatte ich es verdient, da zu sein, aber eigentlich sollte niemand hier sein, abgesehen von Wissenschaftlern. Wer bin ich, dass ich in die Antarktis reise?

Schließlich fühlte ich mich klein. Die unfassbare Menge an Eis, an unwirtlichem Land und an unbändiger Kraft ließ mich machtlos zurück. Ich war nur noch ein kleiner Mensch, der alleine und ohne technische Hilfsmittel keine Chance auf ein Überleben hatte.

Aber als Mensch bin ich Teil der Natur, auch wenn dieses Gefühl des Öfteren verloren geht. Und als Mensch bin ich neugierig. Deswegen war ich dort, auf diesem nun doch bekannten Südland.

Ich konnte spüren, was dieser Ort für die Erde bedeutet, die Menge an Süßwasser, die hier gebunden ist. Ich durfte lernen, welchen Einfluss die Antarktis auf das globale Klima hat, was es bedeutet, wenn es weniger und weniger See-Eis gibt und der Salzgehalt des Südmeeres sich ändert, wie die Meeresströme vom Temperaturunterschied angetrieben werden.

Und auch wenn dieser Ort für mich extrem lebensfeindlich ist, so bietet er Lebensraum für perfekt angepasst Tiere. Wir sahen Seebären, Weddell-Robben, Seeleoparden und Seeelefanten.

Wir sahen Adeliepinguine, Zügelpinguine, Eselspinguine und später auf Südgeorgien Königspinguine.

Wir sahen die unterschiedlichen Albatros-Arten, Sturmvögel, Raubmöwen und Kormorane.

Auch sahen wir einige Buckelwale, aber viel zu wenige.

Auf Südgeorgien sahen wir die Überreste der Walfangstationen. In einem Bericht stand, dass die Walfänger in den ersten anderthalb Jahren gar nicht aufs offene Meer fahren mussten, denn die Bucht war voll mit Walen. Das sieht heute leider anders aus.

Es ist, wie gesagt, schwer in Worte zu fassen, was ich auf der antarktischen Halbinsel und auf Südgeorgien sehen, riechen und erleben durfte. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Orte besuchen durfte. Und ich bin stolz darauf, dies mit einem Segelschiff getan zu haben. Denn diese Orte sollten nicht einfach zu erreichen sein. Wer diese Schönheit spüren möchte, sollte nicht fliegen, er sollte an Tauen ziehen, nachts im Regen am Steuer stehen und mit einem Eimer ins Bett gehen.

Matthias Barth gehört seit 2013 zum Team von Travelmedicus.
Diese Reise in die Antarktis war Teil seiner "Heimreise" nach längerer beruflicher Tätigkeit in Südamerika.
Alle Bilder auf dieser Seite wurden von ihm und auf dieser Reise im Februar und März 2019 gemacht.
Matthias hat nach seiner Rückkehr im Mai 2019 auch ein Interview mit dem auf dieser Reise tätigen Schiffsarzt Adrian Costellote gemacht, welches hier in Kürze zu lesen sein wird.
Hier rechts auf dem Bild ist Matthias mit unserer Kollegin und langjährigen Freundin Linda Rehatta aus Indonesien zu sehen, bei einem gemeinsamen Besuch in Hannover im Jahr 2013.


(13.05.2019 - MB)